Thomas E. Wangers Vernissagerede über das Kunstschaffen von Rajka Poljak

Hören Sie zuerst den Anfang der Ausstellungsrede hier in diesem Video. Danke

Dr. Thomas E. Wanger, Kunsthistoriker
Dr. Thomas E. Wanger, Kunsthistoriker

Das Gute

 

Rajka ist auch auf der Suche nach dem Wesen des Menschen, was durch ihre Porträts deutlich wird. Wie bei Rembrandt[8] können aus den Gesichtszügen der portraitierten Personen Charakter und Lebenslauf erahnt werden.

 

Im Kunstschaffen von  Rajka findet sich aber auch noch ein weiteres Moment, jenes das sie zu einer zeitgenössischen Künstlerin macht: 


Das Selbst


 

Die Künstlerin bringt nicht nur sich selbst im Kunstwerk auch als Schatten ein, sondern thematisiert auch ihr körperliches Be- und Empfinden. Und auch hier geht sie über sich selbst hinaus „mit einer Vision des Ganzen“, nach Lyrikerin und Malerin Evi Kliemand eine Conditio sine qua non für jedes wahre Kunstwerk.

 

Im Bild „Die Verwurzelte“ hat die Künstlerin ihr „den Hunden ausgeliefert sein“ auf eine andere Ebene gehoben, auf eine gesteinigte, ausgelieferte Frau übertragen und ihr am Liechtensteiner Planetenweg[9] ein künstlerisches Denkmal gesetzt. Der in der Erde eingegrabene Körper wird vom metallgänzenden Helm der Sonne[10] bewacht, die nicht für alle Menschen gleich scheint. Noch immer sind Frauen die Leidtragenden in unserem männlich interpretierten Sonnensystem.[11]

 

Der Schatten

 

Rajka fühlt sich selbst (Zitat) als „Schatten im Schattenland“. Ich hoffe, dass sich dies bessert, wenn sie heute Abend im Rampenlicht ihrer Werke steht.

 

Auch gab der Spiralkanaele Förderverein einen 56-seitigen bebilderten Katalog über ihr Kunstschaffen heraus, mit einem Text von Rajka und zwei Beiträgen von mir. Der Katalog wurde von Vlado grafisch gestaltet und ist um 20.- CHF erhältlich.

 

Wo Licht, da meist auch Schatten. Abgesehen davon hat Rajka, gemäß platonischem Höhlengleichnis, richtig erkannt: „All, all on Earth is Shaddow“ [12]. Der eigene Schatten, den auch Evi Kliemand in: „Die Schättin (oder die Schlangenspur)“ [13] thematisiert, wurde auch zu Rajkas Begleiterin, was auch den Bildrealismus steigert. Wetten, dass sie ihren Schatten nicht verkauft?   

 

Rajka, die erst vor fünf Jahren als Autodidaktin zu malen begonnen hat, malt zur Selbstverwirklichung in Acryl auf Leinwand. Das ist auch insofern bemerkenswert, als die Malerei in Acryl kaum Korrekturen ermöglicht. Acryl auf dem Bildträger Leinwand ist mit dem Internet vergleichbar: „einmal im Internet, für immer im Internet“ [14] (bis man den Stecker zieht, oder die Rechnung nicht bezahlt.) Hieran erkennen wir, dass wir es nicht mit einer naiven Künstlerin zu tun haben, wenngleich die kroatische Naive Kunst Weltrang hat, sondern wir haben es mit einer Selbstvergessenen zu tun, die sich weder ihre Kunst noch ihre Maltechnik aussuchte. Rajkas Werke würde ich am Ehesten der Stilrichtung des Impressiven Realismus zuordnen, wenngleich einzelne Werke auch expressiv-realistisch sind.[15] Die Selbstvergessenheit beim Malen ist ein Glücksmoment und dies gilt auch für jede andere nicht entfremdete Arbeit, die in dem von der Künstlerin kritisierten Kapitalismus kaum zu finden ist, geschweige denn gerecht entlohnt wird.  

 

Friedensreich Hundertwasser sprach anlässlich der Verleihung des Österreichischen Staatspreises 1981 die Worte:  „Kunst muss schön, wahr und gut sein, sie muss zur Einfachheit zurückfinden in dieser verkomplizierten Welt. Wenn aber ein Künstler dies, das Selbstverständliche, tut, wird er missverstanden und verleumdet. Die absurdesten Tätigkeiten werden dagegen perfektioniert und angebetet. (…) So wird die Kunst hässlich, leer, ist ohne Schönheit, ohne Gott, dumm, kalt und herzlos. Unser Feind ist die menschliche Dummheit, und nichts anderes.“ [16]

 

Zum Abschluss möchte ich Rajka noch ein Zitat von Vincent van Gogh auf den Weg geben: „Bewahre deine Liebe zur Natur, denn das ist der richtige Weg“ und Ihnen, meine Damen und Herren, die Fortsetzung dieses Zitats: der richtige Weg „zu immer besserem Kunstverständnis“ von Rajka Poljak.

 



[1] Am 20. August 2015 in Stein Egerta, Schaan, LI.

[2] Johannes Mattivi, Vom Rufezeichen …….! ………..zum Fragezeichen …….?, in: Liechtensteiner Volksblatt, 30. Mai 2015, S. 31.

[3] Bertrand Russell, Lob des Müßiggangs. Aus dem Englischen von Elisabeth Fischer-Wernecke, München 2006, 4. Auflage, S. 200-201.

[4] Vlado Franjevic, To Earth with Love. Spiralkanäle 2013 Slowakei –Slowenien – Italien, DVD 2013.

[5] Bertrand Russell, Lob des Müßiggangs. Aus dem Englischen von Elisabeth Fischer-Wernecke, München 2006, 4. Auflage, S. 204.

[6] „Ich verspreche und gelobe (…) mein Wissen und Können in sozialer Verantwortung zu nutzen, zum Abbau von Vorurteilen beizutragen und mich um eine Kultur der geistigen Freiheit und Toleranz zu bemühen.“ Gelöbnis des Autors an der Universität Innsbruck 2002 auf das Universitäre Zepter der  Geisteswissenschaftlichen Fakultät, das aus dem Jahre 1826 stammt und das Katharina von Alexandrien ziert.

[7] September 10 - 16, 2014.

[8] Wenn Sie mir diesen Vergleich erlauben.

[9] Siehe: Wanger Thomas, Planetenweg nun auch in Liechtenstein, in: Der Sternenbote. Österreichische Astronomische Monatsschrift. Astronomisches Büro, Wien, 51. Jg., 620/2008-3, S. 57-58.

[10] Um den Blick zum Sonnenkern zu ermöglichen wurde aus der Sonne ein Stück herausgeschnitten.

[11] Dem war aber nicht immer so. Siehe: Wanger Thomas (tew), „Rita, rita, Rössle“ und der „Sonnenmythos“, in:  Liechtensteiner Vaterland, 28. 6. 2006, S. 21.

[12] Zitat von Edward Young, 1771: „All, all on earth is Shadow, all beyond Is substance“. 

[13] Evi Kliemand: Die Schättin (oder die Schlangenspur), Lugano 1993.

[14] Vergleiche: http://www.lokalkompass.de/unna/ratgeber/das-internet-vergisst-nie-was-einmal-online-ist-wird-immer-online-bleiben-d91297.html

[15] Und dem entsprechend können diese dem Expressiven Realismus zugeordnet werden.

[16] Friedensreich Hundertwasser zitiert in: Ephraim Kishon, Picassos süße Rache. Neue Streifzüge durch die moderne Kunst, Gütersloh 1995 (2. Auflage), S. 76-77. 1984 zerriss Hundertwasser den Staatspreis in der Hainburger Au.